Nachdenken in Zeiten der Pandemie


1. Gedanke: Hat Corona mit Gott zu tun?

Amos 3, 6
Ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?

Es hieß, polnische Bischöfe hatten gesagt, Corona sei eine Strafe Gottes. Und sie hätten auch gewusst, wofür Gott diese Strafe verhängt hätte. Daraufhin beeilten sich deutsche Bischöfe zu sagen, Corona hätte nichts mit Gott zu tun. Es sei eine innerweltliche Angelegenheit und Aufgabe der Wissenschaft, Ursachen und Wirkung zu erforschen. Gott sei nicht schuld an dem Leid, das über die Menschheit gekommen ist. Aber können wir Gott wirklich aus der Verantwortung entlassen? Ist er nicht der Schöpfer und Erhalter allen Lebens und somit auch der Bakterien und Viren? Oder ist die Schöpfung aus dem Ruder gelaufen? Weil wir Gott "Vater" nennen dürfen, dürfen wir als Kinder auch klagen und fragen: Warum lässt du das zu?


2. Gedanke: Wer ist schuld?

Lukas 13, 4
Jesus: Meint ihr, dass die achtzehn, auf welche der Turm von Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen, die zu Jerusalem wohnen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch umkommen.

Bei Unglück und Krankheit wird immer wieder die Frage nach der Schuld gestellt. Das hat ein begrenztes Recht, aber führt meistens nicht weiter. Jesus meint, dass ein Unglück zur Besinnung und zur Verhaltensänderung führen soll. Corana zeigt unsere Ratlosigkeit, dass wir nicht alles im Griff haben. Dass wir die Natur nicht beherrschen. Dass wir nur unter Vorbehalt planen können. Wo ist Umkehr nötig? Wir müssen bescheidener werden in unseren Ansprüchen, unserer Urlaubsgestaltung, unseren Essgewohnheiten. Und achtsamer gegenüber unserer Umwelt.


3. Gedanke: Wie schlimm sind wir dran?

1. Petrus 5, 9
Widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.

Die Pandemie erschüttert unsere Gesellschaft und greift tief in das Leben vieler Menschen ein. Es wird Disziplin und Verzicht verlangt, manche verlieren ihre Arbeit, andere sind bis an ihre Grenzen belastet. Es kommen Vergleiche zu Kriegs- und Nachkriegszeiten auf. Aber wie viel schlimmer war die Lage der Ausgebombten, der Vertriebenen, der Witwen und Waisen und was haben die Menschen damals erlitten und durchgestanden! Und was erleiden heute Menschen in armen Ländern, wo das Leben auch ohne Corona ständig bedroht ist!


4. Gedanke: Was wird aus unserem Wohlstand?

Hiob 2, 10
Haben wir Gutes von Gott empfangen und sollten das Böse nicht auch annehmen?

Das hat einer gesagt, der seinen gesamten Besitz verloren hat. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unser Wohlstand ständig gewachsen ist. Nur heimlich war die Angst da, dass es nicht immer so weitergehen könnte, dass wir die materielle Sicherheit verlieren könnten. Noch sind die Privatvermögen der Deutschen auf Rekordhöhe. 2020 hatte Lotto den höchsten Umsatz. Wenn die Menschheit Not leidet, können wir dann ungeschoren bleiben?


5. Gedanke: Können wir teilen?

Jesaja 58, 7
Brich dem Hungrigen dein Brot und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus. Dann wird deine Heilung voranschreiten.

In guten Zeiten haben wir zu wenig geteilt. In schlechten Zeiten ist das Teilen umso nötiger. Es gibt Verlierer und Gewinner durch die Pandemie. Der Staat soll für Ausgleich sorgen. Aber auch privat sind wird gefragt, z. B. wir, deren Rente oder Lohn regelmäßig ohne Kürzung eingeht: Was machen wir mit dem Geld, das durch die abgesagte Urlaubsreise übrig ist? Spenden wir es für "Ärzte ohne Grenzen" oder können wir in unserem Bekanntenkreis Not lindern? Der Egoismus ist eine Pandemie, gegen die es keine Impfung gibt. Freiwilliges Teilen ist ein Heilmittel.


6. Gedanke: Dürfen Kranke und Sterbende ohne Beistand bleiben?

Hiob 2, 11
Als die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie. Sie waren eins geworden, ihn zu beklagen und zu trösten.

Die Isolation Schwerkranker und Sterbender ist der größte Skandal in der Corona-Zeit. Alle leiden unter den Kontaktbeschränkungen, gerade auch Kinder und Jugendliche. Aber dass Menschen die letzte Strecke ihres Lebens allein, ohne die Nähe ihrer Lieben, gehen müssen, das ist inhuman. Bei andauernder Pandemie müssen dafür Lösungen gefunden werden. Auch die Kirche muss Wege finden, dass ihre Geistlichen Sterbebeistand leisten können.


7. Gedanke: Lebensverlängerung um jeden Preis?

Lukas 12, 25
Wer unter euch, auch wenn er dafür sorgt, kann seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen?

Die moderne Medizin macht es möglich, Leben zu verlängern. Das ist ein großer Segen. Es gibt keine Altersgrenze für medizinische Maßnahmen. Wenn aber die Lebenskraft eines Menschen verbraucht ist und er sterben will, sollte er nicht genötigt werden, all die Strapazen auf sich zu nehmen, die mit Operationen und intensivmedizinischen Maßnahmen verbunden sind. Nicht alles, was medizinisch möglich ist, Leben zu verlängern, ist auch sinnvoll. Ein begleitetes, würdiges Sterben (z. B. zu Hause oder im Hospiz) kann der bessere Weg sein. Das heißt nicht, dass jeder, der sein Leben satt hat, eine Giftspritze bekommen darf.


8. Gedanke: Ohne Gesundheit ist alles nichts?

Römer 14, 8
Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn.

Das Leben ist kostbar, Gesundheit ist ein hohes Gut. Pflegen und Heilen ist ein Dienst der Nächstenliebe. Aber wir können gesund sein und trotzdem unser Leben verfehlen. Wir können alt werden und trotzdem war dieses lange Leben sinnlos. Jesus Christus gibt unserem Leben Sinn und Richtung. In guten und schlechten Zeiten blicken wir zu ihm auf und gehen gestärkt unseren Weg. Am Ende des Weges erwartet er uns und hat die ewige Wohnung für uns bereit.



Ich schrieb im April 2020:

"Ostern fällt in diesem Jahr mitten in die Fastenzeit, nämlich die Zeit vielfältigen Leidens und Verzichtens und der Sorgen um die Zukunft.
Denn die wegen Corona verordnete Fastenzeit geht nach Ostern noch weiter. Es ist viel Mitleiden und Solidarität gefordert.
Uns sollte auch bewusst sein, dass unsere Not, so belastend sie ist, nicht vergleichbar ist mit dem Leid, dass unsere Eltern und Großeltern in den Weltkriegen erlitten und bewältigt haben. Auch nicht mit dem, was Menschen in unserer Zeit in den Kriegsgebieten und Flüchtlingslagern erdulden müssen.
Ich hoffe, dass sich das Leben bald wieder normalisiert und wir uns wieder normal begegnen können. Die Auferstehung Jesu gibt uns eine Hoffnung, die über den Tod hinaus feststeht. Die uns aber auch hilft, aufzustehen nach Krankheit und Krise und neuen Mut zu fassen."

Dietmar Koenitz